Anja Mähler

Die Hüterin der Kammern

Dass ihre Ergebnisse den Weg in die Anwendung finden, wünschen sich viele Forschende. Anja Mähler hilft dabei. Sie leitet die Clinical Research Unit am ECRC, wo sich Grundlagenforschung in klinischen Studien bewähren kann. Wir haben die Wissenschaftlerin für unsere Serie „Wir am MDC“ besucht.

Wer auf dem Laufband in der Hypoxie-Kammer trainiert, blickt durch ein großes Fenster – und auf eine Betonwand. „Früher schaute man nach draußen auf Bäume, jetzt steht dort ein Neubau“, berichtet Anja Mähler, die seit Sommer 2020 die Clinical Research Unit (CRU) am Experimental Clinical Research Center (ECRC) leitet. Das ist schade für die Probandinnen und Probanden, denn sie trainieren meist längere Zeit auf dem Laufband unter Höhenluft-Bedingungen. Angenehmer wäre es, wenn man dabei ins Grüne blicken würde.

360° Video der Hypoxie-Kammer. © Felix Petermann, MDC

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Anja Mähler in der CRU, hat dort ihre Doktorarbeit als Ernährungswissenschaftlerin gemacht, verschiedene Studien betreut und sich auf den Chefposten beworben, als der ausgeschrieben wurde. „Das themenübergreifende Arbeiten gefällt mir an meinem Job besonders gut“, sagt die Forscherin: nicht auf eine bestimmte Krankheit festgelegt zu sein, sondern mit verschiedenen Interventionen unterschiedliche Krankheitsbilder anzuschauen und dabei mit vielen Fachleuten zu kooperieren, die immer wieder neue Aspekte einbringen. „Die Ausstattung der CRU ist einzigartig auf der Welt. Außerdem habe ich viel Gestaltungsfreiheit. Das ist ein großer Motivator“, sagt Anja Mähler.

Hinter jeder Tür eine andere Methode

Die Ausstattung der CRU ist einzigartig auf der Welt. Außerdem habe ich viel Gestaltungsfreiheit. Das ist ein großer Motivator
Anja Mähler
Anja Mähler Leiterin der Clinical Research Unit am ECRC

Das Reich von Anja Mähler umfasst einen langen Flur, scheinbar hinter jeder Tür verbirgt sich eine andere Methode. Zum Beispiel die indirekte Kalometrie, mit der man den Energiestoffwechsel in Ruhe ermitteln kann: Dafür liegt der Proband unter einer belüfteten Plexiglashaube, während seine Ausatemluft analysiert wird. „Aus dem verbrauchten Sauerstoff und produzierten Kohlendioxid berechnen wir die Energiemenge, die umgesetzt wurde“, erklärt Anja Mähler. Auch den Körperfettgehalt oder den Stoffwechsel von Fett und Kohlenhydraten kann das CRU-Team ermitteln, ebenso wie die Trainingseffekte nach Übungsprogrammen in verschiedenen Höhen in der Hypoxie-Kammer. „Dort können wir Bedingungen bis zu einer Höhe von 4000 Metern simulieren“, sagt die CRU-Leiterin. Interessant ist für Forschende dabei nicht nur die Trainingsergebnisse, sie wollen auch wissen, wie sich der verminderte Sauerstoffreiz auf den gesamten Stoffwechsel auswirkt.

Besonders stolz ist Anja Mähler auf die Stoffwechselkammer: Der Proband kann sich dort bewegen, Sport machen, während der Energiestoffwechsel gemessen wird. Die Nahrung kommt über eine Schleuse herein, die ein wenig an Omas Durchreiche von der Küche ins Esszimmer erinnert. Direkt neben der Kammer können die Forschenden die Messungen an diversen Geräten überwachen. „Weltweit gibt es nur 17 solcher Kammern“, sagt Anja Mähler.

Helfen Milchsäurebakterien bei Bluthochdruck?

Die Mission der in der CRU ist, präklinische Forschungsergebnisse von MDC und Charité in klinische Forschung an Patientinnen und Probanden zu überführen. „Was unsere Arbeit auszeichnet, ist die Interdisziplinarität: Wir sind nicht an einer bestimmen Krankheit interessiert, sondern an gesunden ebenso wie pathologischen Prozessen. Und zwar auf unterschiedlichen Ebenen, etwa neurologisch oder kardiovaskulär“, sagt Anja Mähler. Die CRU bietet verschiedene Methoden an, etwa Ernährungs- und Trainingsinterventionen, um übergreifende Mechanismen zu entdecken, die Krankheiten antreiben. Außerdem rekrutiert das CRU-Team Probanden und sammelt Blut- und Stuhlproben, die für Analysen auf molekularer Ebene wichtig sind, etwa des Metaboloms und des Mikrobioms.

Anja Mähler

Eine der fünf Studien, die zurzeit an der CRU durchgeführt werden, ist eine Kooperation mit der Gruppe von MDC-Forscher Dominik Müller. Er hatte 2017 gemeinsam mit einem großen Forschungsteam herausgefunden, dass Kochsalz die Zahl bestimmter Milchsäurebakterien im Darm reduziert, was sich auf Immunzellen auswirkt, die Autoimmunerkrankungen und Bluthochdruck mitverursachen. Dass Probiotika die Krankheitssymptome mildern können, zeigte das Forschungsteam zunächst an Mäusen und später auch an Menschen. Aktuell wird in der CRU untersucht, wie sich ein Probiotikum auf den Blutdruck auswirkt. „Wir machen diese Untersuchungen bei Personen, die Bluthochdruck im Anfangsstadium haben und noch nicht unter Folgeerkrankungen leiden, weil wir zunächst an den Mechanismen interessiert sind“, berichtet Anja Mähler. Die Forschenden messen deswegen auch, wie sich die Aufnahme der Milchsäurebakterien auf Darmmikrobiom, Immunsystem und Stoffwechsel auswirkt.

Mehr Zusammenarbeit mit dem MDC

Die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des MDC sei allerdings ausbaufähig: „Wir sind hier auf dem Campus Buch ansässig, aber trotz dieser räumlichen Nähe gab es bisher eher wenige Kooperationen“, sagt Anja Mähler. Das will die neue CRU-Chefin ändern – zum Beispiel mit dem neu aufgelegten Translational Clinical Study Call, der im Januar 2021 erstmals veröffentlicht wird. MDC-Gruppen sind eingeladen, sich mit einer Studienskizze für eine Proof-of-Concept-Studie zu bewerben, die finanziell und personell gefördert wird. Den Call soll es von 2021 an jedes Jahr geben. Damit dürften zukünftig mehr MDC-Forschende die Kammern von Anja Mähler kennenlernen – und das, was damit möglich ist.

Text: Wiebke Peters

 

Weiterführende Informationen

Experimental and Clinical Research Center (ECRC) von MDC und Charité