Andrea Quezada

Eine Landkarte der Huntington-Ablagerungen zeichnen

Huntington-Patient*innen verlieren die Kontrolle über ihren Körper und ihre Gedanken. Dafür verantwortlich sind Ablagerungen in den Nervenzellen. Andrea Quezada will davon atomare Modelle entwickeln. Sie forscht jetzt mit einem Marie Skłodowska-Curie Individual Fellowship am Max Delbrück Center.

Eigentlich hatte sie sich von der Forschung verabschiedet, wollte in die Wissenschaftsadministration gehen. Doch dann begann Dr. Andrea Quezada, sich mit neurodegenerativen Erkrankungen auseinanderzusetzen. Die krankheitsauslösenden Mechanismen zogen sie ebenso in ihren Bann wie die Technologien, mit denen diese Prozesse in den Zellen ergründet werden können.

Als sie erfuhr, dass Professor Erich Wanker am Max Delbrück Center Kandidat*innen für das Marie Skłodowska-Curie Individual Fellowship sucht, schrieb sie ihm eine E-Mail. Ein paar Zoom-Meetings später war die Projektbeschreibung fertig. Die Europäische Kommission möchte mit den Stipendien Forscher*innen unterstützen, die ihre Karriere in Europa voranbringen wollen. Seit dem 1. September ist Quezada nun in Wankers Arbeitsgruppe tätig.

Auf der Suche nach einer Therapie

In den nächsten zwei Jahren erforscht sie dort Chorea Huntington, eine bislang unheilbare Erkrankung des Gehirns, bei der die Nervenzellen langsam absterben. „Die Betroffenen verlieren nach und nach ihre Selbstständigkeit, ihren Verstand und ihre Persönlichkeit“, sagt Andrea Quezada. Die Erkrankung wird durch eine Mutation im Huntingtin-Gen verursacht, die zur Produktion eines abnormen Proteins führt, das mehrere aufeinanderfolgende Glutamine enthält. Glutamine sind Aminosäuren, die als Bausteine für Proteine dienen. Bei der Huntington-Erkrankung entstehen zu viele dieser Glutamin-Bausteine. Es bilden sich lange Polyglutaminketten, die allmählich verklumpen und die Nervenzellen vergiften.

Wanker hat diese Klumpen 1997 entschlüsselt. Im Projekt „HUNTING-BrainFibrils“ will Quezada nun atomare Modelle der Ablagerungen erstellen und das molekulare Zusammenspiel innerhalb der der Hirnmasse kartieren. „Um neue therapeutische Ansätze für diese grausame Krankheit entwickeln zu können, müssen wir die Struktur und Zusammensetzung der Ablagerungen genauestens verstehen“, sagt sie. Am Max Delbrück Center stehen ihr dafür Technologie-Plattformen für Bilddatenanalyse, Kryo-Elektronenmikroskopie und Hochdurchsatz-Proteomik zur Verfügung. Außerdem will sie Biomarker aufspüren, die zeigen, welche Therapie in welchem Krankheitsstadium am besten greift.

Andrea Quezada hat Chemie, Biophysik und Strukturbiologie an der Universidad Nacional Autónoma de México studiert. Nach ihrer Promotion ging sie für zweieinhalb Jahre nach Lissabon, wo ihr Interesse für Huntington geweckt wurde. Im vergangenen Jahr war sie an der University of Texas in Austin, USA, in ein Pandemie-Projekt eingebunden. Sie kann die zellbiologische Expertise im Team von Erich Wanker gut ergänzen, glaubt die Wissenschaftlerin. „Ich bin sehr neugierig“, sagt Andrea Quezada, „ich hoffe, dass ich mich hier auf neurodegenrative Erkrankungen spezialisieren und als unabhängige Forscherin etablieren kann.“ Nebenher möchte sie ihrer zweiten Leidenschaft frönen: dem Flamenco.

Text: Jana Ehrhardt-Joswig

 

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