Postdoc – und dann?  

Der Doktortitel ist ein Meilenstein für alle jene, die in der akademischen Welt Karriere machen wollen. Auch in den Laboren des MDC arbeiten zahlreiche Postdoktoranden – zum Beispiel Tobias Opialla, der noch unsicher ist, wie es bei ihm weitergehen soll, oder Marina Kolesnichenko, die in der Wissenschaft Karriere machen will. Beide nutzen jetzt Angebote des MDC, um sich besser zu orientieren.

Sanum Bashir weiß genau, wie es im Herzen eines Postdocs aussieht – sie hat selbst ihren Doktor am MDC gemacht, im Jahr 2014. „Wir hängen an unseren Pipetten, an unseren Zellkulturen. Es fällt uns ungeheuer schwer, uns vom Labor zu lösen“, sagt die Wissenschaftlerin beim Auftakttreffen des 8. MDC-Mentoringprogramms. Ihre Zuhörerinnen und Zuhörer nicken. Insgesamt elf Postdocs nehmen an dem Programm teil, das im Mai 2017 startete.

 Nur 4,4 Prozent werden Professorin oder Professor

Bashir war Mentee des Vorjahres-Programms. Noch hat die junge Wissenschaftlerin nicht entschieden, wo es für sie hingehen soll. Ähnlich dürfte es vielen der etwa 170 Postdoktorandinnen und -doktoranden gehen, die derzeit am MDC betreut werden. Wer in der Wissenschaft bleiben will, strebt als nächstes eine eigenständige Position in der Wissenschaft an – klassischerweise als Principal Investigator, kurz PI, mit eigener (Junior-)Arbeitsgruppe. Doch dieser Schritt ist schwierig, vielleicht der engste Flaschenhals auf dem Weg in den Forschungsolymp: Nur 4,4 Prozent aller Postdoktoranden in Deutschland erlangen am Ende den begehrten Professorentitel.

Das MDC fördert Postdocs, die eigenständig forschen wollen – sie können sich für verschiedene Helmholtz-Programme, für interne sowie externe Fellowships bewerben. Im LIBRA-Projekt, ein EU-weites Netzwerk, das darauf abzielt, Frauen auf ihrem Weg zu einer wissenschaftlichen Führungsposition zu unterstützen, ist das MDC ein Partner. Zwei MDC-Forscherinnen wurden jüngst für das Mentoring-Programm LIBRA Career Development Compass ausgewählt.

Die Nachwuchsforscherin Marina Kolesnichenko ist eine von ihnen. „Das MDC ist ein sehr Postdoc-freundlicher Ort, es gibt viel Unterstützung, und auch die meisten PIs sind offen und hilfsbereit“, sagt sie. Vier Jahre ist es her, seit sie ihren Doktortitel erworben hat – eigentlich sind es zwei, einen am Scripps Research Institute in La Jolla, USA und einen an der Oxford University. In elf Laboren hat die junge Wissenschaftlerin bereits gearbeitet, 2013 stieß sie zur MDC-Arbeitsgruppe von Claus Scheidereit.

Marina Kolesnichenko will in der Wissenschaft bleiben. Ihr nächstes Etappenziel: eine unabhängige Position als Forscherin. „Vom LIBRA-Programm erhoffe ich mir hilfreiche Impulse für erfolgreiches  Netzwerken“, sagt sie. Wichtig ist ihr außerdem der Erfahrungsaustausch mit role models, also mit Frauen, die es geschafft haben. „Es gibt weibliche PIs, aber es sind noch sehr wenige.“

Die Jobaussichten in der Industrie sind ausgezeichnet

Doch auch Jobs außerhalb der akademischen Welt sind eine attraktive Option. Christiane Alexander, ehemalige MDC-Forscherin und heute Director Business Development bei einem internationalen Auftragsforschungsinstitut, sagt: „Viele werten es als Versagen, wenn sie die akademische Welt verlassen. Aber das ist falsch! Jobs in der Industrie bieten ebenfalls Einfluss, Ansehen und Gestaltungsmöglichkeiten. Hinzu kommen oftmals ein attraktiveres Gehalt und besser geregelte Arbeitszeiten. Und gut ausgebildete Lebenswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind enorm gefragt.“ Unter anderem um diese Perspektive zu vermitteln, engagierte Alexander sich als Mentorin im vergangenen MDC-Mentoringprogramm; 2001 war sie selbst eine der ersten Mentees. Durch den Austausch mit ihrem Mentor wurde ihr klar, dass für sie eine Leitungsposition in der akademischen Forschung nicht erstrebenswert ist.

Einen Mentor, der über den akademischen Tellerrand hinauszuschauen vermag, wünscht sich auch Tobias Opialla. Der Molekularbiologe arbeitet in der BIH-Technologieplattform Metabolomik und spielt spätestens seit seiner Promotion im Herbst 2016 mit dem Gedanken, parallel zur wissenschaftlichen Karriere eine Firma aufzubauen. Um an entsprechende Kontakte zu kommen, hat er sich für das diesjährige MDC-Mentoring-Programm beworben, das erstmals für Männer offenstand (mehr Informationen siehe Kasten). „Es ist immer gut, sich mit Personen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben“, glaubt Opialla. Er will im Laufe des Mentorings herausfinden, wie es gelingen kann, eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen und gleichzeitig eine Firma zu gründen – und ob für ihn jetzt schon der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.

Auch wer nicht am Mentoringprogramm teilnimmt, kann sich am MDC Ideen für die Zukunft holen: Zum Beispiel in Karriereworkshops oder -seminaren, die speziell auf die Bedürfnisse von Postdocs ausgerichtet sind. Zur Job-Orientierung dient ferner der jährliche MDC Career Day, der in diesem Jahr am 17. Oktober stattfindet. Hier können sich PhD-Studierende und Postdocs aus Berlin insbesondere über Karrierewege außerhalb der akademischen Welt informieren – und erste Kontakte zu Firmen wie Bayer knüpfen.

Gut vertreten dank MDC Postdoctoral Association

Auch die Postdocs selbst haben sich vor drei Jahren organisiert und bieten Vernetzungsmöglichkeiten an. Die Postdoctoral Association trifft sich regelmäßig mit dem MDC-Vorstand und setzt sich dafür ein, dass dieser sich um konkrete Anliegen der Postdoktoranden kümmert. Außerdem veranstaltet die Association gemeinsam mit Postdocs von FMP, Charité und BIH den jährlich stattfindenden PostDoc Day für junge Forschende aus Berlin. Bei dieser eintägigen Konferenz stellen die Teilnehmenden ihre Arbeit vor und haben reichlich Gelegenheit zum Austausch. Seit 2016 gibt es zudem die regelmäßig stattfindenden Networking Lunchtime Seminars. „Bei diesen eher informellen und sehr interaktiven Treffen berichten junge Gruppenleiter, aber auch frühere Postdocs, die jetzt in der Industrie arbeiten, von ihrem Karriereweg“, sagt Sebastiaan van Heesch von der Postdoctoral Association. „Das ist ein sehr interessantes und inspirierendes Thema für die Zuhörerinnen und Zuhörer.“

Sanum Bashir, die Mentee aus dem MDC-Mentoringprogramm 2016, ist inzwischen Mutter von zwei Kindern. Sie hatte sich gezielt für Christiane Alexander als Mentorin entschieden, weil sie den Erfahrungsaustausch mit einer Person wollte, die ebenfalls Kinder hat. Noch ist die Wissenschaftlerin am MDC tätig, in der Industrie wäre sie jedoch sicher auch eine begehrte Arbeitskraft. Exzellente Köpfe werden schließlich überall gebraucht.

Das MDC-Mentoringprogramm

Insgesamt zwölf Plätze – acht davon sind für weibliche Postdocs reserviert, um vier weitere können sich seit diesem Jahr auch Männer bewerben – bietet das interne Mentoringprogramm des MDC. Das diesjährige 8. MDC-Mentoringprogramm startete im Mai. Es läuft ein Jahr lang und wird im kommenden Jahr neu ausgeschrieben. Das Mentoringprogramm richtet sich an Postdoktorandinnen und -doktoranden. Die Mentees sollen dabei unterstützt und begleitet werden, „individuelle berufliche Ziele sowie persönliche Fähigkeiten und Kompetenzen zu identifizieren und zu entwickeln und diese systematisch in die eigene Karriereentwicklung einzubringen“. Hierfür sieht das Programm die Begleitung durch eine erfahrene Mentorin bzw. Mentor aus Forschung, Lehre oder Industrie sowie professionelle Karriereberatungen und Workshops vor. Das Mentoringprogramm wird organisiert und begleitet von Dr. Christiane Nolte, Frauenvertreterin des MDC, sowie Gabriele Kollinger, Personalentwicklerin am MDC.

Beitragsbild: MDC Career Day 2016. Harry Schnitger/MDC