Eine Falle für Viren

Wie ein Ring von Proteinen hilft, Infektionen zu verhindern

Wer eine komplizierte Maschine bauen will, muss viele Einzelteile in einer genau definierten Reihenfolge zusammensetzen. Das gilt auch für den Bau von Viren. Eine infizierte Zelle nimmt das Virus auseinander, kopiert seine Moleküle und setzt diese wieder zu neuen Viren zusammen, die dann andere Gewebe angreifen. Manchmal jedoch schützen sich menschliche Zellen und stören die Virenproduktion. Ein beim Menschen vorkommendes Protein namens MxA zum Beispiel fängt Virusteile ein, so dass die verbleibenden Bauteile nicht mehr zu neuen Viren zusammengefügt werden können. Das Team von Prof. Dr. Oliver Daumke vom MDC hat zusammen mit dem Virologen am Universitätsklinikum Freiburg, Prof. Dr. med. Otto Haller, und Prof. Dr. Hans-Georg Koch von der Universität Freiburg, eine detaillierte Analyse der räumlichen Struktur von MxA erstellt, mit deren Hilfe sich nachvollziehen lässt, wie das Molekül die Virus-Bestandteile einfängt. Ihre Studie erschien am 27. Mai 2010 in Nature.

Die Struktur der Stängel-Region eines einzelnen MxA-Moleküls (Abb. oben). Diese Region verbindet sich mit den Stängeln anderer Proteine (Abb. in der Mitte). Die untere Abbildung zeigt, wie 32 MxA Moleküle sich mit ihren Stängeln zu einer ringförmigen Maschine zusammenfügen, die in ihrem Innern Virusteile einfangen kann. Auf der Außenseite des Rings befinden sich “Motor” Teilchen, die GTP Energie nutzen.

Die Eigenschaften eines Proteins werden durch seine Chemie und seine Form bestimmt. Ein Protein ist zunächst eine fadenförmige Kette von Aminosäuren, die sich dann präzise in eine dreidimensionale Struktur faltet. Diese Struktur kann dann Andockstellen für kleine Moleküle aufweisen, mit deren Hilfe das Protein Energie speichern oder seine Funktion innerhalb der Zelle erfüllen kann. Song Gao aus dem Labor von Oliver Daumke vermutete, dass eine genaue Analyse der Struktur von MxA zeigen würde, wie sich das Molekül an Teile von Viren bindet und sie so unschädlich macht.

Forscher hatten bereits vorher vermutet, dass ein Teil des Proteins sich zu einer Stängel-artigen Struktur faltet, mit deren Hilfe sich jeweils vier MxA zusammentun. Diese Vierergruppen sind notwendig, damit MxA an Virusproteine binden kann, sie in einer ringartigen Struktur um sich selbst herum anordnet und sie so blockiert. Song Gao und seine Mitstreiter stellen mutierte Formen von MxA her, die kleine Änderungen in der Stängel-Region aufweisen, und sie stellen fest dass die Moleküle daraufhin nicht mehr die typischen Cluster formen, die Virus-Teile einfangen konnten. Warum das so ist, konnte nur eine genauere Untersuchung des Stängels zeigen.

Weil Proteine so klein sind, dass sie selbst unter den am höchsten auflösenden Mikroskopen nicht sichtbar sind, müssen Forscher sich mit Methoden wie der Röntgen-Kristallographie behelfen, um Informationen über die Verteilung der Atome im Raum und die Gestalt des Proteins zu gewinnen. Bei dieser Methode werden Proteine kristallisiert und dann mit Röntgenstrahlen beschossen. Aus dem Muster, das durch die Beugung der Strahlen entsteht, lässt sich ein dreidimensionales Modell des Proteins erstellen.

Song und seine Kollegen stellten also kristalline Formen des Stängels der MxA her und machten daraus eine dreidimensionale Karte dieser Region des Proteins. So fanden sie heraus, dass die Aminosäuren dort lange Spiralen bilden, die sich vor und zurück falten und so ein Bündel ergeben, etwa so wie das zusammengelegte Netzkabel eines Computers. Der aus diesen Faltungen bestehende Stängel weist drei Verbindungsflächen auf, die sich mit gleichartigen Strukturen anderer MxA Proteine verbinden können. Durch die Art und Weise, wie sich die MxA verbinden entsteht gleichzeitig eine Andockstelle für Virusproteine auf einer Seite, während die andere Seite dieser Bindestelle als eine Art Motor funktioniert, der durch das kleine „Treibstoff“-Molekül GTP betrieben wird. Je nachdem, wie viel Energie dem MxA zugeführt wird verändert sich die Art und Weise, wie es Virusproteine behandelt.

Einige Mutationen der MxA verhindern dessen Aktivität gegen Viren, und andere nicht. Die Erklärung der Studie dafür: Wenn die Veränderung die Andockstellen des Stängels betrifft, dann können sich keine Vierergruppen von MxA mehr bilden. Dies verhindert dann das Einfangen der Virus-Proteine.

Die Aufklärung des veränderten Verhaltens der MxA hilft den Forschern auch, andere Proteine zu verstehen, die ähnliche Stängel-Strukturen aufweisen. Dynamin zum Beispiel nutzt ebenfalls die Energie von GTP und spielt eine Schlüsselrolle beim Transport von Molekülen durch das Innere der Zelle. Mehrere Proteine werden dabei in eine Membranhülle gepackt und zu anderen Abteilungen der Zelle hin bewegt. Diese Blasen müssen sich dazu aus einem Teil zellulärer Membran formen und sich dann davon ablösen, um sich dann zu ihrer Zielmembran hin zu bewegen, wo sie die transportierten Proteine wieder freigeben. Dieser wichtige Mechanismus findet in allen Zellen statt. In Nervenzellen spielt er eine besonders kritische Rolle, denn der Transport von Impulsen hängt am von der Aktivität des Dynamins ab.

Dynamin ist an der Ablösung der Transportvehikel aus Membran beteiligt, und Schäden an diesem Molekül werden mit Nerven- und Muskelerkrankungen in Verbindung gebracht. Die starke Ähnlichkeit zwischen dem Dynamin-Stängel und dem von MxA hilft, sich eine genaue Vorstellung davon zu machen, was im Inneren der Zelle vorgeht. Sobald sich die vielen Dynamin-Moleküle mit Hilfe ihrer Stängel ganz um eine neue Membran-Blase herum geschlungen haben, sind diese Motor-Moleküle genau in der richtigen Position, um die Energie des GTP zu nutzen. Der Dynamin-Motor springt an und löst das Vehikel aus der Membran. Die Studie erklärt also nicht nur die antivirale Funktionsweise von MxA, sondern verspricht auch Informationen über wichtige Strukturen anderer Proteine zu liefern, die im Zusammenhang mit Krankheiten stehen.

- Russ Hodge

(Übersetzung: Maritta Strasser)

Highlight Reference:

Gao S, von der Malsburg A, Paeschke S, Behlke J, Haller O, Kochs G, Daumke O. Structural basis of oligomerization in the stalk region of dynamin-like MxA. Nature. 2010 May 27;465(7297):502-6.

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Virology Department of Freiburg