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Genvariante entscheidet darüber, ob Menschen einen zu hohen Cholesterinspiegel haben oder nicht – Neueste Erkenntnisse von Forschern in Dänemark und Deutschland

Weshalb haben manche Menschen einen zu hohen Cholesterinspiegel und erleiden einen Herzinfarkt, während andere offenbar geschützt sind? Forscher in Dänemark und Deutschland haben darauf jetzt eine Antwort gefunden: „schuld“ ist ein Gen. Es tritt in verschiedenen Varianten auf – eine Variante des Gens schützt, die andere nicht. Forscher um Prof. Anders Nykjaer von der Universität Aarhus, Dänemark sowie Prof. Thomas Willnow vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin konnten zeigen, dass das fragliche Gen bestimmt, wieviel Cholesterin die Leber ins Blut freisetzt (Cell Metabolism, doi: 10.1016/j.cmet.2010.08.006)*.

Bei dem Gen handelt es sich um SORT1, das die Forschungsgruppe
von Prof. Willnow bereits im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen erforscht.
Dass dieses Gen auch eine Rolle im Bereich der Herzkreislauferkrankungen
spielt, ergaben so genannte genomweite Assoziationsstudien. Dabei schauen
Genetiker, ob zwischen gewöhnlichen genetischen Varianten im menschlichen
Erbgut und bestimmten Erkrankungen eine Verbindung besteht. In diesem Fall
interessierte Forscher, ob zwischen dem Risikofaktor für
Herzkreislauferkrankungen – einem zu hohen Cholesterinspiegel – und winzigen
genetischen Varianten einzelner Personen Zusammenhänge bestehen.

In groß angelegten internationalen Genomstudien war vor
kurzem eine bestimmte Region auf dem menschlichen Chromosom 1 identifiziert
worden, welche einen hohen Cholesterinspiegel verursacht. Die Funktion dieser
Genregion auf Chromosom 1 konnten die Forscher in Aarhus und Berlin jetzt mit Hilfe
von Mäusen klären. Sie hatten in diesen Mäusen das Gen für das Protein SORT1
gezielt ausgeschaltet. Die Mäuse hatten trotz fettreicher Ernährung 20 Prozent
weniger Cholesterin im Blut, als Mäuse mit SORT1. Mit weiteren Untersuchungen
fand das internationale Forscherteam aus Dänemark und Deutschland auch heraus,
wie SORT1 wirkt. Es bildet einen Faktor, welcher dafür sorgt, dass die Leber
effizienter Cholesterin freisetzt. Das bedeutet, Personen mit einer aktiven
SORT1-Genvariante schütten viel Cholesterin ins Blut aus und haben damit ein
höheres Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden. Menschen dagegen, welche eine
weniger aktive Genvariante tragen, schütten weniger Cholesterin aus – und sind
geschützt.

Zum ersten Mal zeigt sich damit nach Ansicht von Prof.
Willnow, dass der Abgleich des Erbguts vieler Tausender Menschen entscheidend
dafür ist, wichtige neue Erkenntnisse über die genetischen Ursachen von
Krankheiten zu gewinnen.

Forscher plädieren
für gesunden Lebensstil

Der Körper benötigt Cholesterin unter anderem für seine Zellen
zum Aufbau von Zellmembranen oder als Baustein für Hormone. Cholesterin wird vom
Körper selbst gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Es wird zunächst in
der Leber gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Überschüssiges
Cholesterin muss die Leber wieder zurücknehmen, damit es nicht die Blutgefäße
verstopft (Arteriosklerose). Wer einen zu hohen Cholesterinspiegel hat, läuft
Gefahr einen Herzinfarkt zu erleiden, wenn er nicht mit einer entsprechenden
Diät und Medikamenten gegensteuert.

Nach Ansicht der Forscher könnte das SORT1-Gen einen
Angriffspunkt für neue Medikamente bieten, um die Freisetzung von „schlechtem“
Cholesterin aus der Leber ins Blut zu blockieren. Allerdings ist SORT1 nur
einer von vielen Herzinfarktrisikofaktoren. Es genügt daher nicht, so die
Forscher, zu testen, welche Genvariante von SORT1 jemand hat.
„Herzkreislaufrisiken hängen mit vielen verschiedenen Faktoren zusammen“,
betonen Prof. Nykjaer und Prof. Willnow. Auch Menschen mit der „gesunden Genvariante“
können einen hohen Cholesterinspiegel bekommen, wenn andere ungünstige Faktoren
wie ungesunde Ernährung oder Übergewicht im Spiel sind. Daher plädieren die
Forscher für einen gesunden Lebenstil – keine fettreiche Ernährung und viel
Bewegung.

*Sort1, Encoded by the Cardiovascular Risk Locus 1p13.3, Is a Regulator of Hepatic Lipoprotein Export

Mads Kjolby,1 Olav M. Andersen,1 Tilman Breiderhoff,3 Anja W. Fjorback,2 Karen Marie Pedersen,1 Peder Madsen,1 Pernille Jansen,1 Joerg Heeren,4 Thomas E. Willnow,3,* and Anders Nykjaer1,*

1The Lundbeck Foundation Research Center MIND, Department of Medical Biochemistry, Ole Worms Allé 1170

2MINDCenter, Stereology and ElectronMicroscopyLaboratoryAarhusUniversity, 8000 Aarhus C, Denmark

3Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine, 13125 Berlin, Germany

4Department of Biochemistry and Molecular Biology II: Molecular Cell Biology, University Medical CenterHamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, Germany

*Correspondence: willnow@mdc-berlin.de (T.E.W.), an@biokemi.au.dk (A.N.)

Barbara Bachtler

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