Portrait of a woman

Aus der Forschungswelt ausbrechen

Marie Burns macht Wissenschaft am Max Delbrück Center erlebbar – dabei arbeitet sie eng mit Forschenden zusammen. Über ihre Anfänge und Pläne in der Wissenschaftskommunikation erzählt sie im Interview für „Wir am MDC“.

Vergangenes Jahr hast du noch am Deutschen Rheumaforschungszentrum als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet. Jetzt bist du in der Kommunikationsabteilung des Max Delbrück Center für Veranstaltungen wie die Lange Nacht der Wissenschaften oder die Science Week verantwortlich, konzipierst Fortbildungen für Lehrkräfte und weckst gemeinsam mit dem Gläsernen Labor bei Schülerinnen und Schülern Begeisterung für die Biomedizin. Siehst du dich eher als Wissenschaftlerin oder als Kommunikatorin?

Im Moment noch 75 Prozent Wissenschaftlerin, 25 Prozent Kommunikatorin. Ich arbeite an einem 50/50 Verhältnis.

Du tauschst dich täglich eng mit unseren Forschenden aus. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Wir haben am Max Delbrück Center eine riesige Community mit Forschenden, die aktiv und erfahren sind, die auf Science Slams waren, für Zeitungen schreiben – von den Promovierenden bis hin zu den Postdocs und PIs. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften etwa sind viele Gruppen seit Jahren dabei. Sie kommen mit einer ausgereiften Idee zu mir. Für andere Veranstaltungen überlege ich mir selbst, was spannende Themen sein könnten und dann gehe ich auf die Gruppen zu. Wie jetzt bei der Berlin Science Week.

Verrätst du uns, was uns dieses Jahr erwartet?

In einer unserer Veranstaltungen geht es zentral um die Frage, welche Rolle das Geschlecht bei Forschungsfragen und in der medizinischen Versorgung spielt. Neurologische oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verlaufen bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich. Die Frage ist, ob wir das in der Forschung, in Tiermodellen oder Studien mit Patient*innen genug berücksichtigen. Niemand am Max Delbrück Center arbeitet explizit an einer solchen Frage, doch gerade bei translationalen Gruppen spielt dieses Thema eine Riesen-Rolle. Außerdem sind wir mit einer Veranstaltung im Naturkundemuseum dabei und haben sehr engagierte PostDocs, die einen berlinweiten PostDoc-Day organisieren.

Welche Pläne hast du noch?

Langfristig hielte ich es für sinnvoll, wenn Bürger*innen oder genauer Patient*innenverbände besser einbezogen werden können. Ich denke hier an Citizen-Science-Projekte, mit denen partizipative Forschung gestärkt wird. Das kann erstens ein total fruchtbarer Dialog für die Forschenden sein, mal eine Perspektive von außen zu bekommen. Zweitens helfen solche Formate dabei, den Rückhalt der Gesellschaft für Forschung zu stärken. Wissenschaftskommunikation wird in Zukunft immer wichtiger, wenn Forschende Fördergelder einwerben. Hier können wir die Arbeitsgruppen unterstützen.

Ist es für Forschende eine Herausforderung, ihre Themen in die Öffentlichkeit zu tragen?

Ich glaube schon. Ich selbst fand es sehr aufregend, aus der eigenen Bubble rauszukommen und mich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Aber vor allem für Nachwuchswissenschaftler*innen ist es nicht immer einfach, selbstbewusst zu sagen: Ich bin Expert*in für dieses und jenes Thema. Als Forscherin weiß ich ja, wie komplex alles eigentlich ist und wir werden nicht dazu ausgebildet, unser Thema verständlich aufzubereiten. Wie stark kann ich vereinfachen, ohne es zu verfälschen? Wie geht gutes Storytelling? Das alles zusammenzubringen, fand ich sehr herausfordernd und ich könnte mir vorstellen, dass es anderen auch so geht.

Wie bist du aus deiner Forschungsblase ausgebrochen?

Während meiner Promotionszeit habe ich zu personalisierter Medizin für Rheumaerkrankungen geforscht und war sehr nah an den Patient*innen dran – über Verbände und Speed-Dating-Formate. Die Betroffenen stellten Fragen wie ‚Warum bin ich krank geworden? Wie funktioniert mein Medikament? Warum zeigt sich bei mir diese Nebenwirkung?‘ Aber es kamen auch forschungsbezogene Fragen, etwa woran gerade gearbeitet wird, welche Hoffnungen auf Heilung es gibt. Ich fand es sehr motivierend, den Leuten bei ihrer Krankheitsbewältigung zu helfen. Mir lagen diese Gespräche und ich habe gesehen, dass sie einen Unterschied machen.

Für mich ist es ein Geschenk, in meinem Job Leuten erzählen zu können, warum Forschung so toll ist.
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Marie Burns

Hast du dich deshalb entschieden, beruflich in die Kommunikation zu gehen?

Für mich ist es ein Geschenk, in meinem Job Leuten erzählen zu können, warum Forschung so toll ist. Im Zuge der Pandemie hat man gesehen, was wissenschaftliche Debatten für den gesellschaftlichen Rückhalt, für die Forschung ausmachen, wie politische Entscheidungen getroffen werden. Ich möchte mein kleines Puzzlestück zu diesem Dialog beitragen. Wie stark professionalisiert dieser Beruf ist, habe ich hier gesehen. Das Schöne am Max Delbrück Center ist, dass hier die Wissenschaftskommunikation eine wichtige Rolle spielt.  Wir möchten zum Beispiel unsere aktuelle Forschung noch schneller in die Schulen bringen, indem wir gemeinsam mit dem Gläsernen Labor an einem Kursangebot arbeiten oder ein eigenes Lehrkräftefortbildungsprogramm anbieten.

Warum ist es wichtig, nicht nur krankheitsbezogene Forschung, sondern auch Themen aus der Grundlagenforschung in die Öffentlichkeit zu tragen?

‚Warum ist es interessant, dass sich dieses Protein so oder so faltet?‘ Ich glaube Leute außerhalb der Wissenschaft stellen sich solche Fragen oft. Dann hilft es hervorzuheben, dass Forschende durch grundlegende Erkenntnisse Gesundheit und Krankheit besser verstehen können. Etwas anderes, das ich oft aus meinem nichtwissenschaftlichen Umfeld höre ist: ‚Wir wissen jetzt, dass dieses Protein wichtig ist, bei dieser oder jener neurodegenerativen Erkrankung oder bei einem Herzinfarkt, warum dauert es dann immer noch 20 Jahre, bis wir ein passendes Medikament haben?‘ Es ist wichtig zu zeigen, wie Grundlagenforschung funktioniert und wie der lange Weg bis zum Testen eines Wirkstoffes aussehen kann.

Was rätst du unseren Forschenden, wenn sie in die Öffentlichkeit wollen, sich aber nicht trauen?

Kommt zu uns und wir überlegen uns was gemeinsam! Und probiert es einfach aus! Am Ende ist Wissenschaftskommunikation kein Hexenwerk – und es lohnt sich. Als meine Doktorarbeit nicht gut lief, fand ich es sehr motivierend, wenn jemand mir sagte, dass meine Arbeit total interessant und wichtig ist. Das war ein richtiger Anschub für mich und ich habe gemerkt: Dafür mache ich das!

Die Fragen stellte: Christina Anders

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