Susanne Wolf im Labor

Die verborgenen Talente der Mikroglia

Als Gastgruppenleiterin wird Susanne Wolf für zunächst fünf Jahre am Max Delbrück Center erforschen, wie sich Mikroglia bei psychiatrischen Erkrankungen verändern – und wie die Zellen dazu beitragen, dass sie entstehen oder fortschreiten. So will die Biologin Angriffspunkte für Medikamente finden.

Angefangen hatte alles in der Wüste Namibias, wo eine junge Frau das Paarungsverhalten von Nebeltrinkerkäfern beobachtete. „Von da an wollte ich wissen, wie Verhalten auf zellulärer Ebene kodiert wird“, sagt Dr. Susanne Wolf. Seit 25 Jahren forscht sie inzwischen in der Neurobiologie und hat sich auf das Zusammenspiel zwischen dem Immunsystem und dem zentralen Nervensystem spezialisiert.

Verschiedene Facetten der Neurowissenschaften beleuchtet

Ich habe an vielen interessanten Orten gearbeitet, hatte mit dem MDC aber immer ein wissenschaftliches Zuhause.
Susanne Wolf
Dr. Susanne Wolf Gastgruppenleiterin am Max Delbrück Center

Zuerst ging es um die Nervenneubildung (Neurogenese) in bestimmten Bereichen des Gehirns „Das passiert selbst im Alter noch und lässt sich stimulieren. Zum Beispiel durch Joggen“, erzählt sie. Die Mechanismen dazu untersuchte sie bereits 2003 am Max Delbrück Center als Postdoktorandin bei Stammzellforscher Gerd Kempermann. Darum ging es anschließend auch an der Stanford University, wo die Parkinson-Therapie im Vordergrund stand. Am Institut für Neuroanatomie der Universität Zürich untersuchte sie danach die Interaktion von Mikroglia mit neuronalen Stammzellen in einem Mausmodell für Schizophrenie.

Mikroglia, die Makrophagen des Gehirns, sind Teil des Immunsystems. Zwar besteht ihre Hauptaufgabe darin, Krankheitserreger und tote Zellen auszuschalten. Schon vor der Geburt nehmen Mikroglia überflüssige Nervenzellverbindungen auf und zersetzen sie. „Aber sie stehen auch in engem Kontakt zu Neuronen und Astrozyten und spielen eine entscheidende Rolle dabei, neuronale Netzwerke zu gestalten und aufrecht zu erhalten. Damit beeinflussen sie letztlich unser Verhalten“, betont Susanne Wolf.

Mit ihrer Expertise aus Zürich kam die Biologin zurück ans Max Delbrück Center und konzentrierte sich im Team von Helmut Kettenmann auf die Funktionen der Mikroglia bei Alzheimer und Gliomen. Anschließend habilitierte sie sich am Institut für Augenheilkunde der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Bereich Experimentelle Neurowissenschaften und entwickelte dort Modelle für Diabetes und die altersbedingte Makula-Degeneration. Bei beiden Erkrankungen sind Mikroglia das Ziel von therapeutisch relevanten Wirkstoffen. „Auch diagnostisch ist das Auge interessant: Daran lassen sich nicht nur frühzeitig Gefäßerkrankungen ablesen. Es ist ein wichtiges Fenster zum Gehirn, für die nicht-invasive Diagnostik psychiatrischer Veränderungen wie beispielsweise Autismus“, sagt sie.

Psychiatrische Erkrankungen und kognitive Defizite im Fokus

Nun ist die 53-Jährige erneut zum Max Delbrück Center zurückgekehrt. Diesmal als Gruppenleiterin und um länger zu bleiben. „Ich habe an vielen interessanten Orten gearbeitet, hatte mit dem MDC aber immer ein wissenschaftliches Zuhause.“ Die vielfältigen Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die Technologieplattformen, die kurzen Wege – all das schätzt sie sehr. Sie freut sich auf Kooperationen mit Dr. Hanna Hörnberg, die in ihrer Arbeitsgruppe molekulare und zelluläre Grundlagen des Verhaltens erforscht, sowie den Teams von Dr. Philip Mertens, Professor Oliver Daumke, Professor Holger Gerhard, Professor Jennifer Kirwan und weiteren.

Inhaltlich wird zum einen das Zusammenspiel von Mikroglia und Synapsen im Fokus stehen. „Während es mir vorher immer um Zell-Zell-Interkationen ging, kommt nun der synaptische Teil dazu – speziell in Modellen für Autismus, bei denen synaptische Stützproteine, wie zum Beispiel das Neuroligin 4, verändert sind. Dazu schaue ich mir Gehirn und Auge an.“ Außerdem möchte sie die neuroimmunologischen Mechanismen untersuchen, die zu kognitiven Defiziten bei Diabetespatient*innen führen. Auch hier, glaubt sie, spielen Mikrogliazellen eine zentrale Rolle. Welche Moleküle Verhalten kodieren – das erforscht Susanne Wolf noch heute, so wie sie es sich vor 25 Jahren in der Wüste Namibias vorgenommen hat.

Text: Catarina Pietschmann