Frau arbeitet an wissenschaftlichen Aufnahmen am Computer

Ultrakalter Zoom in die Zelle

Die Kryo-Elektronenmikroskopie erlaubt Strukturbiolog*innen einen Blick auf die allerkleinsten Bausteine des Lebens. Mit einem Symposium wurde die gemeinsame Core Facility und das dazugehörige Forschungsgebäude der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Center jetzt eröffnet.
Unser Ziel ist es, von in vitro zu in situ zu kommen, also Prozesse direkt in der Zelle zu beobachten
Christoph Diebolder
Christoph Diebolder Leiter der Core Facility für Kryo-Elektronenmikroskopie

Vier Meter hoch ist das neue Kryo-Transmissionselektronenmikroskop (Kryo-TEM) auf dem Campus Buch. Das etwa fünf Millionen Euro teure Gerät liefert dreidimensionale Aufnahmen von winzigsten Strukturen innerhalb einer Zelle. Mit den Bildern auf Nanometerebene machen Berliner Strukturbiolog*innen sichtbar, was passiert, wenn Moleküle im Inneren einer Zelle aufeinandertreffen. „Unser Ziel ist es, von in vitro zu in situ zu kommen, also Prozesse direkt in der Zelle zu beobachten“, sagte Dr. Christoph Diebolder. Er leitet die Core Facility für Kryo-Elektronenmikroskopie, die die Charité – Universitätsmedizin Berlin in Kooperation mit dem Max Delbrück Center und dem Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) auf dem Campus Buch betreibt.

Am 15. September 2023 wurde die Core Facility mit einem wissenschaftlichen Symposium feierlich eröffnet. Gleichzeitig bekam das hochspezialisierte Forschungsgebäude, das das Max Delbrück Center für die Kryo-TEM gebaut hat, einen Namen: Isolde-Dietrich-Haus. Die 2017 verstorbene Physikerin hat lange in Berlin geforscht und nicht zuletzt im Labor des Nobelpreisträgers Ernst Ruska die Grundlagen für die Elektronenmikroskopie gelegt. „Ich bin mir sicher, dass sie es als eine große Ehre empfunden hätte“, sagte Dr. Svetlana Marian, die Dr. Isolde Dietrich gut gekannt hat und zur Eröffnung angereist ist. „Sie war ein unglaublich bescheidener Mensch.“

„Gemeinsam haben wir hier etwas geschafft, was keine Institution allein finanzieren kann. Eine solche Infrastruktur zieht ausgezeichnete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Berlin“, sagte Professor Christian Hagemeier, Prodekan für Forschung mit präklinischem Schwerpunkt an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Rund acht Millionen Euro kosten allein die Großgeräte der Facility. Dafür haben die Charité, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Freie Universität bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie beim Land Berlin Geld eingeworben.

Professor Holger Gerhardt, Dr. Christoph Diebolder, Dr. Svetlana Marian, Professor Christian Hagemeier und Professor Christian Spahn vor dem Isolde-Dietrich-Haus.

Nicht nur ein Gerät der Spitzenklasse

Eine Zelle von einem Mikrometer Durchmesser wäre zu dick, um sie im Kryo-TEM zu durchleuchten. Nicht mehr als 300 Nanometer dürfen es sein. Um derart feine Proben präparieren zu können, steht den Forschenden in der Facility ein weiteres Gerät der Spitzenklasse zur Verfügung: ein Dual Beam FIB SEM, ein Kryo-Rasterelektronenmikroskop mit fokussiertem Ionenstrahl. Darin wird aus der auf -150 Grad Celsius schockgefrorenen Probe, beispielsweise einer menschlichen Zelle, mit dem Ionenstrahl eine elektronendurchlässige Lamelle herausgefräst. Um genau den Abschnitt zu bekommen, der im Kryo-TEM betrachtet werden soll, werden zuvor mithilfe eines Kryo-KLEM, eines korrelativen Elektronen-Lichtmikroskops, die entsprechenden Moleküle markiert. Die Lamelle, dieser Hauch einer Probe, kommt schließlich ins Kryo-TEM.

Wie ein riesiger Tresor steht das Kryo-TEM in einem hohen weißen Raum, der von einem gleichmäßigen Rauschen erfüllt ist: die Lüftungsanlage. Denn so groß das Gerät ist, so empfindlich ist es. Temperaturschwankungen verträgt es ebenso wenig wie eine zu hohe Luftfeuchtigkeit. Letztere liegt bei unter 20 Prozent. Auch Vibrationen oder elektromagnetische Felder würden stören. Der Boden des Gebäudes besteht deshalb aus einer 1,25 Meter dicken Betonplatte, die alle Schwingungen ausgleicht. Zudem ist es wie ein „Haus im Haus“ doppelwandig gebaut. Etwa 2,9 Millionen Euro hat das Forschungsgebäude mit etwa 156 Quadratmetern Nutzungsfläche gekostet.

Das Isolde-Dietrich-Haus von außen, nebenan baut das Max Delbrück Center das Imaging Innovation Center.

Nebenan hat das Max Delbrück Center inzwischen die nächste Baugrube ausgehoben. „Hier entsteht unser Imaging Innovation Center“, sagte Professor Holger Gerhardt, stellvertretender Wissenschaftlicher Vorstand des Max Delbrück Center. „Physiker*innen, Biophysiker*innen, Lebenswissenschaftler*innen und Bioinformatiker*innen werden in dem Gebäude neueste Mikroskopie-Techniken und Bildanalyseverfahren weiterentwickeln. Das ergänzt sich optimal mit dem Isolde-Dietrich-Haus.“ 

 

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Max Delbrück Center

 

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 70 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das Max Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.